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Ottilienberg – Lützelberg, Teil 2

Ottilienkapelle

Die älteste bildliche Darstellung der Ottilienkapelle finden wir am Rand des Gemeinderatsprotokolls vom 29. Juli 1726. Johann Baptist Sartor, Ratschreiber, hatte die Angewohnheit, am Rande der Ratsprotokolle zur Niederschrift passende Illustrationen anzubringen. So hat er z.B. bei der Neuerrichtung des Galgens auf dem Galgenberg die Richtstätte zeichnerisch festgehalten.

Zur Baugeschichte und Ausstattung der Kapelle, der Hl. Ottilia geweiht, die im Elsass beheimatet war und dort Odilia geschrieben wird, und zur Kapelle als früheren Wallfahrtsort wird auf die Broschüre „Die Pfarrgemeinde Bräunlingen und ihre Kirchen“, herausgegeben 2018 vom katholischen Pfarramt Bräunlingen, verwiesen. Wie in Bräunlingen, standen Ottilienkapellen meist auf weithin sichtbaren Bergkuppen, aber auch in der Nähe von Quellen oder Brunnen, deren Wasser man vor allem bei Augenleiden für heilkräftig hielt, weil die blind geborene durch die Taufe sehend gewordene Ottilia durch das Wasser der Quelle bei ihrem Kloster Kranke heilte.

Aber ein Ereignis, das nicht so bekannt ist, darf in diesem Zusammenhang erwähnt werden. In einer Berichterstattung von 1795, die als „Kurzer Beschrieb des fürchterlichen Gewitters, welche den 4. Juni die k. und k. Vorderösterreichische Stadt Bräunlingen getroffen hat“ überschrieben, ist lesen wir:

„Der 4te des Monats Juni war ein Tag des allgemeinen Schreckens für die Inwohnerschaft unseres Ortes. Es war abends zwischen 6 und 7 Uhr, als sich zwey Donnerwetter über unsere Stadt zusammengezogen, und eine halbe Stunde auf ihr ruheten bis beede zu ihrem fürchterlichen Ausbruch kamen –  endlich folgte ein gräßlicher Schlag, der in das St. Ottilien Kirchle ging, und in die Wohnung des Bruders zum Fenster hineinfuhr, die ganze hintere Mauer hinweg riß, und alles Holz und Glaswerk etc. in vieltausend Stücke zerschmetterte. Zu gleicher Zeit fuhr dieser Schlag in das Kirchle zum Fenster hinein, um des eben sich darin befindenden und läutenden Bruders Kopf herum, dann unter und oben durch eine 3 Schuhe dicke Mauer ohne eine durchsichtige Öffnung zu machen, von außen oben an der Mauer herunter ganz dicht am Kirchle in die Erde, wo es ein zwey Fäuste dickes Loch offen ließ. – Der Bruder blieb bey all dieser ihm drohenden Gefahr unerschrocken, und unbeschädigt.“

Der zweite Schlag ging in das Mühlentor und in die Kaplanei und richtete im Torturm einen größeren Schaden an, der noch umfangreicher und drastischer beschrieben wurde. Der ganze Bericht kann in Band 8 der Schriftenreihe der Stadt Bräunlingen nachgelesen werden.

Die Klause bei der Kapelle

Seit Anbeginn war bei der Ottilienkapelle eine bescheidene Klause als Wohnung für einen Klausner (Eremit, Einsiedler). Erster Klausner war Johannes Götz aus Mistelbrunn. Er gehörte dem Orden des Heiligen Franziskus an und hörte auf den Ordensnamen Antonius. Seine Aufgabe war, dreimal täglich den Englischen Gruß zu läuten und täglich abends einen Rosenkranz zu halten. Er hatte kein Einkommen und lebte von milden Gaben der Bräunlinger und der Wallfahrer. Er führte ein bescheidenes Leben, das Wasser musste er vom Brändbach holen, der befahrbare Weg für Kuh- oder Ochsengespann wurde erst 1877 gebaut, ein kleiner Garten diente zur Versorgung mit dem Nötigsten. 1744 starb er und die Nachfolger wurden wie er auf Vorschlag des Ortspfarrers vom Rat und der Gemeinde beauftragt, die Dienste des Klausners fortzuführen.

Als der letzte Klausner starb, lautet im Sterbebuch der Pfarrei der Eintrag vom 4. Juni 1788: „Paul Löser, ehedem Einsiedler an der St. Ottilienkapelle starb am Schlagfuß (historische Name für Schlaganfall), 79 Jahre alt, er starb mit der Aufhebung der Einsiedelei und Wallfahrt zur St. Ottilienkapelle – Versehen mit den hl. Sakramenten“. Die Aufhebung der Wallfahrt erfolgte aufgrund der Kirchenreform des österreichischen Kaisers Joseph II., (Josephinische Reform).

Weitere Ausstattung und Gestaltung des Ottilienberges

1888 wurde in unmittelbarer Nähe der Kapelle am Ostabhang die neu erstellte Lourdesgrotte mit einer Marienstatue ausgestattet. Am Skapulierfest 1888 wurde die Marienfigur nach der Weihe durch Dekan Metz auf den Ottilienberg gebracht. Die Ölberggrotte wurde 2 Jahre später gebaut. Die Steine für beide Grotten wurden in der Wutachschlucht gewonnen.

Heute erhalten die Erstkommunionkinder am Skapulierfest bei der Lourdesgrotte von der Pfarrei ihr Skapulier-Medaillon. Es erinnert an den Karmeliter Simon Stoch, der der Legende nach im Traum das Skapulier von der Gottesmutter erhielt und dieses seither zum Habit der Karmeliter gehört. Daraus entwickelte sich das kleine Skapulier Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel. Die Stadtkirche ist dem Patrozinium Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel unterstellt, der Gedenktag/Patronatsfest ist der 16. Juli, das Skapulierfest.

Weitere bauliche Maßnahmen erfuhr der Ottilienberg durch den Bau des Wasserreservoirs und der Errichtung einer Wassertretstelle. Der Hochbehälter wurde 1894 für das erste Leitungsnetz zur Wasserversorgung der Stadt gebaut und ist seit Jahren außer Betrieb; die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser erfolgt jetzt über den Hochbehälter Triberg.

Mit der parkähnlichen Bepflanzung mit Bäumen und Ziersträuchern wurde im Jahr 1888 begonnen. Die Bepflanzung wurde von Kreisbaumwart Markus Obergfell, einem Bräunlinger Bürger, geplant und vorgenommen. Hierzu wurden auch weitere Grundstücke durch die Stadt angekauft. Durch Gemeinderatsbeschluss vom 20. April 1888 wurde ihm auch „die ständige Fürsorge und Wartung“ der Jungpflanzen zum Salär von 50 Mark übertragen. Im Jahre 1977 konnte von den Erben der Familie Graf/Sayer das frühere Garten- und Feldgelände, welches zur Grafenbrauerei gehörte, auf dem östlichen Teil des Ottilienberges zur Arrondierung der Parkanlage durch die Stadt erworben werden.

Eine Sandsteinfigur der Hl. Ottilie konnte 1982 durch die Stadtverwaltung käuflich erworben werden. Sie stand auf einem Sandsteinpostament am Eingang zum Garten der Familie Graf (Grafenbräu). Heute steht die Figur in der Ausstellung zur örtlichen Kirchengeschichte im Kelnhof-Museum. Die Flächenerweiterung ermöglichte auch die Anlegung eines Brunnens, der allerdings heute ein Schattendasein fristet und, wenn der Wasserzufluss nicht mehr gewährleistet ist, eine andere Gestaltung den schattigen Platz wieder zum Verweilen aufwerten könnte.

 

 

April 2020

Joachim Schweitzer

 

Übrigens:

Der Band 8 der Schriftenreihe der Stadt Bräunlingen kann für 15 € bei der Touristinfo oder an den Öffnungstagen des Kelnhof-Museums erworben werden, die Broschüre über die Kirchen der Pfarrgemeinde Bräunlingen gibt es am Schriftenstand in der Stadtkirche und ebenfalls in der Touristinfo. Es wird bekannt gegeben, wann Touristinfo und Kelnhof-Museum wieder für den Besucherverkehr öffnen werden.

 

 

Artikel wurde am 27. April 2020 veröffentlicht.