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Ottilienberg – Lützelberg, Teil 3

Die Ottilienkapelle und die Parkanlage waren und sind nach wie vor bei den Bräunlingern in vielfältiger Weise beliebt. Einige Beispiele sind nachstehend exemplarisch aufgeführt.

 Ottilienkapelle und Kolpingfamilie/Gesellenverein

Vielen Bräunlingern ist heute nicht mehr bekannt, dass die hiesige Kolpingfamilie jährlich um den 4. Dezember, dem Todestag des Gesellenvaters Adolph Kolping, vor ihrer Jahresversammlung eine Gedenkfeier in  der Ottilienkapelle abhielt, um danach ihre Jahresregularien abzuarbeiten.

Als Gründungsjahr der hiesigen Kolpingfamilie kann das Jahr 1931 genannt werden. Stadtpfarrer war Geistl. Rat u. Dekan Julius Meister. Zur seelsorglicher Unterstützung und geistlicher Betreuung der hiesigen Bevölkerung und der Filialen war ihm Vikar Martin Walter beigegeben, dem es bald gelang, mit der Jugend Fühlung aufzunehmen, was ihm umso besser gelang, als er ein großer Freund und Kenner des Sports war. Von einer begeisterten Jugend unterstützt, gründete Vikar Walter einen Jungmänner- und Gesellenverein mit einer Fußballabteilung, die im Rahmen der DJK (Deutsche Jugendkraft) eine bedeutende Rolle spielte.

(Bild: Kolpingfamilie mit Vikar Walter und DJK-Fußballmannschaft)

Durch das Anwachsen der N.S.D.A.P. und deren Einstellung gegenüber der kath. Kirche und insbesondere gegenüber den kath. Organisationen wurde das Vereinsleben erschwert und zum Teil unmöglich gemacht. Im Juli 1933 wurde die DJK staatlicherseits aufgelöst („Gleichschaltungsgesetze“) und das Vermögen beschlagnahmt, desgleichen auch der Jungmännerverein. Der Gesellenverein, welcher einen internationalen Charakter hatte, bestand aber noch weiter.

Nach dem 2. Weltkrieg formierte sich am 7.2.1947 die Kolpingfamilie neu. Sie hatte damals 46 Mitglieder. Vorausgegangen war wiederum eine Kolping-Gedenkfeier in der Ottilienkapelle. Senior (Vorstand/Sprecher) Ferdinand Hofacker, der vor dem Kriege das Amt des Sprechers ausgeübt hatte, war 1942 in Russland gefallen. Mit Ferdinand Wintermantel wurde ein neuer Senior gewählt, Schriftführer wurde Otto Schweitzer, Kassier und Vereinsdiener war Markus Zirlewagen, Ludwig Hummel u. Franz Kleiser wurden Beisitzer. Weitere Gedenkfeiern fanden jährlich 1948 – 1951 in der Ottilienkapelle statt. Im Schriftführerbuch steht für die Feier 1949: „In einem alten, schönen Gedicht, „Die Bergkapelle“, das Bernhard Moßbrugger vortrug, lag eine Heimatwärme wie im Klang des St. Ottilienglöckleins, das jeden Morgen und Abend in unser Städtchen herunter klingt, um die Gläubigen zum Gebet zu ermahnen“.

Die kleine Glocke läutet heute noch jeden Morgen um 6.45 Uhr am Abend um 18.45 Uhr und lädt damit zur kurzen Besinnung ein.

Im Januar 1952 enden allerdings die Einträge im Schriftführerbuch, so dass über den Kolpingverein, der dann nicht mehr weiter existierte, keine weiteren Erkenntnisse über die Gründe seiner Auflösung vorliegen.

Eine kleine Kapelle für das Ja-Wort

Viele Bräunlinger, aber auch Auswärtige, haben in der Kapelle auf dem Berg geheiratet und sich dort das Ja-Wort gegeben. Für eine kleinere Hochzeitsgesellschaft gibt die barocke Kapelle den passenden Rahmen und auf dem Vorplatz können nach der Trauung in schöner Umgebung Verwandte und Freunden, aber auch von Schaulustigen, gratulieren und auf das Brautpaar anstoßen.

Weltliche Feiern

Aber auch zu weltlichen Feiern wurde das natürliche Ambiente der Parkanlage auf dem Ottilienberg genutzt. So fanden in früheren Jahren auf der ebenen Fläche unter dem Blätterdach der Bäume städtische Kinderfeste statt. Ein Ereignis, welches zu jener Zeit von den Kindern herbeigesehnt wurde, den es gab zur Wurst und Wecken noch eine Limonade, manchmal auch einen Kletterbaum mit allerlei kleinen Gewinnmöglichkeiten und sonstige Kinderspiele, die für Kurzweil, Freude, zum Teil auch für Gelächter, sorgten.

Auch die Stadtkapelle nutzte noch in den 1950er Jahren die Fläche für Freiluftkonzerte. Ein weiteres Konzert im Jahresablauf gab die Stadtkapelle an Fronleichnam unter den Kastanienbäumen der Gaststätte und Brauerei „Fortuna“, die sich ebenfalls im Bereich des Ottilienberges / Lützelberg befand.

Die einzige privat genutzte Fläche war die Wiese mit der Stock-Mühle-Alm. Nach dem 2. Weltkrieg nutzte die Familie Ragg die Fläche für eine Schneckenzucht. Abnehmer der Weinbergschnecken waren französische Soldaten in Donaueschingen

 Alfons Probst, selbst Musiker der ersten Stunde der Stock-Mihle-Musikanten, hat dort eine kleine Blockhütte erstellt und diese als Stock-Mühle-Alm bezeichnet. Obwohl zwischenzeitlich die Almhütte innerhalb der Stock-Mühle-Musikanten gewechselt hat, ist das Namensschild nach wie vor über der Tür angebracht. In guter Erinnerung sind bei den Nachbarn noch die Feste mit den verschiedenen Generationen der Stock-Mihle-Musikanten.

 

Die Stockmühle stand, bis sie nach einem Brand 1899 nicht wiederaufgebaut wurde, westlich des Schachenhofes inmitten des Allmendfeldes (Gemeinschaftseigentum der Bürger). Sie wurde 1859, nachdem die Vorgängermühle ebenfalls abgebrannt war, unverändert als Beimühle wieder aufgebaut. Die Baugenehmigung mit Lageplan hat sich im Stadtarchiv erhalten. Der Wasserzufluss wurde über einen Kanal aus dem Bruderbach gespeist. Letzter Stockmüller war Johann Brugger, der nach dem Brand 1899 nach Bräunlingen zog.

Neu etabliert hat sich seit einigen Jahren der Almabtrieb, eine Veranstaltung, welche von jungen Männern, den Vorstadtbuabä (Vorstadtbuben), die um den Ottilienberg wohnen, initiiert wurde. Im Herbst wird allerlei Viehzeug in einem bunten Umzug vom Ottilienberg durch die Stadt zum „Bregtäler“, dem früheren Gasthaus und Brauerei Graf, getrieben, wo dann in lustiger Art und Weise für Teilnehmer und Gäste die Gaudi-Veranstaltung ihren Abschluss findet.

Der Nikolaus vom Kerchleberg

Kaum bekannt ist Sage, die den Kindern im Bereich der Vorstadt und dem Ottilienberg erzählt wurde. Danach stieg St. Nikolaus begleitet von einem Esel vom Himmel  herab, verweilte auf dem großen ausladenden Ast des Lindenbaumes ehe er über die Ruhebank am Fuße des Baumes hinabstieg und ihn dann der Weg ins Städtle zu den Kindern führte. Als Unterstand für den Esel diente der Hohlraum unter der steinernen Treppe, die von außen auf die Empore in der Ottilienkapelle führte.

 

April 2020

Joachim Schweitzer

 

Anmerkung:

Für das Stadtarchiv werden Fotos von Veranstaltungen auf dem Ottilienberg oder der Freifläche der Fortuna gesucht. Dankbar werden diese vom Autor entgegengenommen. Kontakt auch über die Touristinfo, Tel. 0771 603-171.

 

 

Artikel wurde am 30. April 2020 veröffentlicht.