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Die Laterne des Meisters von Meßkirch

Keine Spur von Edelmetall und nicht der kleinste Edelstein finden sich an diesem Objekt, noch nicht einmal leuchtende Farben. Doch gehört die Laterne aus Eisenblech ganz klar zu den Kostbarkeiten im Kelnhof-Museum, denn sie ist äußerst seltenes Objekt und bietet uns Einblicke in den Alltag bzw. in die Nächte unserer Vorfahren. Dazu kommt, dass es ein ganz besonderes Bilddokument zum Gebrauch der Laterne gibt.

Bild 1: Blechlaterne, 1. Hälfte 16. Jahrhundert, Kelnhof-Museum Bräunlingen, Altbestand.

Diese Laterne war ein Gebrauchsgegenstand und gerade ihre starken Abnutzungsspuren, Rost und eine dicke Wachsschicht im Innern, lassen erkennen, dass sie lange treue Dienste geleistet hat. Hergestellt hat sie ein Laternenmacher, ein Berufsstand, den auch Jost Amman in seinem 1567 in Frankfurt am Main erschienen Ständebuch dargestellt hat. Die Verse, die die Tätigkeiten beschreiben, stammen zum Teil von Hans Sachs. Darin heißt es, dass der Laternenmacher von den  ganz hell leuchtenden, großen Laternen für Kirchen, über „Lichtkolben“ für Gasthäuser und Hochzeiten sowie Laternen für den Haushalt,  bis zu den „blinden“ Laternen, die in den Feldlagern des Militär gebraucht wurden, alles herstellen konnte.

Bild 2: Der Laternenmacher. Holzschnitt aus Jost Amman, Das Ständebuch.
Leipzig, Insel-Verlag, 1989

Vielleicht gehörte die Blechlaterne unseres Museums zur Ausrüstung des Bräunlinger Nachtwächters? Sowohl der zylindrische Laternenkörper als auch der kegelförmige Aufsatz sind mit symmetrischen Lochmustern ausgestattet,  so dass der Schein der Kerze, die auf einem langen und kräftigen Dorn aufgesetzt war, relativ  hell war, aber keinen Schaden anrichtete und auch nicht blendete. Außerdem brannte die Kerze zuverlässig, denn die  Flamme war vor Zugluft optimal geschützt.  War helleres Licht vonnöten, konnte man – auf  Kosten der eben aufgezählten Vorteile –  einfach das Laternentürchen öffnen. Die Laterne ließ sich an einem breiten Griff bequem in der Hand tragen, aber sie konnte auch an einem Ring aufgehängt werden.

Im Werk eines ganz berühmten Künstlers, der nicht weit von hier wirkte, sieht man genau solch eine Laterne im Gebrauch. Der „Wildensteiner Altar“ des Meisters von Meßkirch, 1536 datiert, zeigt auf den Außenseiten der geschlossenen Flügel  u.a. die Gefangennahme Jesu. Während die Jünger am Ölberg schlafen, nähern sich im Hintergrund die Häscher, angeführt von Judas, der den Weg zeigt, gefolgt vom Hohepriester und seinem Knecht Malchus, der mit seiner Laterne, die er an seine Lanze gehängt und geöffnet hat, den Weg erleuchtet. In der nächsten Szene schlägt Petrus dem Malchus mit seinem Schwert das Ohr ab.  Malchus ist gestürzt und mit dem Kopf genau in seine Laterne gefallen.

Bild 3 und 4: Meister von Meßkirch, Der Wildensteiner Altar, 1536
Vergrößerungen einer Abbildung aus:
Elsbeth Wiemann, Meisterwerke der Fürstenbergsammlungen Donaueschingen in der Staatsgalerie Stuttgart. Ostfildern-Ruit, Hatje Cantz, 2002

Der von Petrus bedrohte Knecht ist in seine Laterne gestürzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Knecht des Hohepriesters trägt eine Blechlaterne.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Obwohl die gemalte Laterne nur ein kleines Detail des Gemäldes ist, lässt sich doch erkennen, dass sie dem tatsächlichen Gegenstand ganz genau nachempfunden ist. Aus unserer Perspektive heißt das, dass wir sicher sagen können, dass solche Laternen in unserer Gegend in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Gebrauch waren und, weil die gemalte und die „echte“ einander so ähneln, dass sie möglicherweise in bestimmten, größeren Städten von spezialisierten Handwerkern in größerer Anzahl hergestellt worden sein müssen. Oder aber (und das ist natürlich nicht ernst gemeint), dass der Meister von Meßkirch sich in Bräunlingen die Laterne zum Abmalen ausgeliehen hatte!

Susanne Huber-Wintermantel

Artikel wurde am 6. Mai 2020 veröffentlicht.