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Das Kelnhof-Museum stellt vor: Eine Urne aus Unterbränd

Wahlen werden geradezu mit dem Begriff „Urne“ gleichgesetzt, spricht man doch z.B. von Wahlen als vom„Urnengang“ und benützt das Wort auch für die quaderförmigen großen Kästen, in die wir unsere Wahlzettel einzuwerfen gewohnt sind.

Die Urne (von lateinisch urna), ist ursprünglich eine Maßeinheit für Flüssigkeiten und wurde auch im deutschen Sprachgebiet seit dem Spätmittelalter in diesem Sinne verwendet. Später bezog sich Urnein vielen europäischen Sprachen auf das Gefäßselbst und im Deutschen auf Gefäße allgemein. Urnen waren sowohl Krüge als auch Töpfe und Geschirr aller Art, und so liest man –vor allem in der Dichtung der Klassik –  auch von der Los-, Wahl- oder Schicksalsurne.

Die ebenfalls im Klassizismus geprägte idealtypische Form einer Urne wurde in der Wahlurne verwirklicht, die in Unterbränd entdeckt und dankenswerter Weise dem Kelnhof-Museum übergeben worden ist. Die bronzene Urne ist oben am Deckel mit einem schmalen Schlitz versehen; der Deckel wird mit einem massiven Vorhängeschloss  verschlossen. Die Reste einer aufgeklebten Beschriftung verraten, dass die Urne noch vor wenigen Jahrzehnten benutzt worden sein muss. Aber über die Umstände, wie und wann sie nach Unterbränd kam und an welchem Ereignis sie das erste Mal Verwendung fand, können wir nur spekulieren.

DieBräunlinger Dependenzorte Ober- und Unterbränd, Hubertshofen und Bubenbach erlangten1846die Selbstständigkeit. Seit dem 17. Jahrhundert bis zu diesem Zeitpunkt besaßen die meisten – männlichen –   Bewohner der Dependenzorte zwar formal das Bräunlinger Bürgerrecht und auch den Bürgernutzen (Weiderechte und Nutzholzgewinnung), hatten aber keinen Anteil an der städtischen Verwaltung und weder Sitz noch Stimme im Rat. Ihre Vögte wurden vom Bräunlinger Rat nach Anhörung der Ortsbewohner ernannt (mehr dazu in den Stadtchroniken von Hornung und Balzer).

Es ist gut vorstellbar, dass aus Anlass des denkwürdigen Ereignisses der ersten Bürgermeister- und Gemeinderatswahl am 22. Dezember 1846 zwei Urnen angeschafft wurden. Viel jünger können sie nicht sein, ihre Stilmerkmale passen zu einem Erwerb um die Mitte des 19. Jahrhunderts.

In den Unterbränder „Jahresrechnungen mit Beilagen“ im Bräunlinger Stadtarchiv ist nachzulesen, dass die Unterbränder  bei ihrem ersten „Urnengang“ Gabriel Hepting als Bürgermeister gewählt hatten; Thomas Mantel, Franz Josef Wöhrle und Baldus Rombach wurden Gemeinderäte. Von 1847 an war F.J. Wöhrle auch Rechner und Jakob Wintermantel wurde zum Ratschreiber ernannt. Sie verwalteten eine Gemeinde von 109 „Seelen“. Die Bürgermeisterwahl von 1846 wurde von Bezirksamtmann Frei und dessen Aktuar (=Schreiber, Gerichtsschreiber),  beide vom Bezirksamt in Hüfingen, vorgenommen. An Kosten stellte das Bezirksamt der Gemeinde Unterbränd für den Bezirksamtmann 3 Gulden 44 Kreuzer und für den Aktuar 1 Gulden 30 Kreuzer in Rechnung. Dies entsprach einer ¾ Diät, = heute ¾ eines Tagessatzes an Reisekosten. Den Transport der beiden Herren nahm Kronenwirt Ganter von Hüfingen vor und verlangte 7 Gulden, allerdings bis nach Bubenbach, wo offensichtlich ebenfalls eine Bürgermeister- und Gemeinderatswahl stattfand.

 

Susanne Huber-Wintermantel und Joachim Schweitzer

 Bildunterschrift: Eine der beiden Wahlurnen aus Unterbränd. Die Form dieser Gefäße prägt den Begriff „Wahlurne“ bis heute.

 

 

 

 

 

 

Artikel wurde am 28. Juli 2020 veröffentlicht.