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Stadtkirche Bräunlingen – Glockenweihe an Pfingsten vor 100 Jahren – Teil 2 (von 3)

Fest der Glockenweihe

Mit Schreiben vom 26. April 1921 erteilte das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg „cum iure subdelegandi das Pfarramt Bräunlingen die neuen Glocken nach dem Rituale Friburgense pag. 322 zu weihen“.

 

 

 

 

Das Fest der Glockenweihe ist im Donau-Bote vom 19. Mai 1921 nachvollziehbar für die seinerzeitige Freude der Bräunlinger festgehalten.

Es steht dort zu lesen:

„Kaum eine Gemeinde des Landes hat in den letzten Jahrzehnten so oft das Fest der  Glockenweihe gefeiert wie unser Städtchen. Erinnern sich doch ältere Bürger an 5 Glockenfeste, seitdem Herr Dekan Metz im Jahre 1877 die ersten neuen Glocken einweihen konnte. Keines aber war so feierlich und ein so allgemeines Gemeindefest wie das Glockenfest vom letzten Sonntag. Als Ersatz für die im Krieg abgelieferten Kirchenglocken waren tags zuvor reich bekränzt und freudigst begrüßt die drei neuen Glocken aus der Werkstatt des Meisters Grüninger eingetroffen.

Im Chor der Kirche waren die herrlichen Glocken aufgestellt und harrten der kirchlichen Weihe. Von der Kirchenbehörde war Herr Domkapitular Dr. Weber, ein Kursgenosse und Verwandter unseres Herrn Stadtpfarrer Meister herbeigeeilt und hielt am hl. Pfingsttag die Festpredigt.

Am Nachmittag nahm Herr Domkapitular Dr. Simon Weber unter Assistenz des Herrn Dekan Schatz von Hüfingen und des Herrn Stadtpfarrer Meister die Glockenweihe vor. Den sinnigen Zeremonien konnte jedermann folgen.

 Der Kirchenchor trug zwischen hinein sehr schöne passende vierstimmige Motetten und Lieder vor unter der bewährten Leitung unseres Organisten des Herrn Hauptlehrer Rombach. Ein Violinsolo mit Orgelbegleitung, gespielt von einen Herrn, brachte zwischen hinein recht hübsche Abwechslung. Eine stimmungsvolle Maiandacht mit einer Prozession, bei der die Erstkommunikanten das Allerheiligste begleiteten, beschloß die kirchliche Feier. Der reich geschmückte Maialtar erstrahlte in schönster elektrischer Beleuchtung.

 Zum weltlichen Glockenfest, das die Gemeinde veranstaltete, hatten sich so zahlreiche Festgäste eingefunden, daß in den geräumigen Sälen des „Adler“ bald kein Plätzchen mehr zu erobern war. Viele mussten umkehren und konnten auch keinen Stehplatz mehr bekommen.

Die tüchtige Stadtmusik unter Leitung des Herrn Brugger und der allzeit rührige Kirchenchor hatten den musikalischen und gesanglichen Teil des Banketts übernommen und tadellos durchgeführt.

 

 

 

Herr Bürgermeister Müller eröffnete die Feier mit herzlicher Begrüßung an alle Erschienenen und feierte die alten Glocken als Kriegsopfer, das fest so schwer zu ertragen war wie die Opfer an Menschenleben. An dem Tag, an dem der harte Friede von Versailles in Wirksamkeit trat, erhalten wir wieder unser allseits bekanntes majestätisches Geläute von früher wieder. An die neuen Glocken knüpften sich die besten Wünsche für einen dauernden Frieden und für eine glückliche Zukunft für unsere Stadt.

 Herr Stadtpfarrer Meister stattete den Dank ab an all diejenigen, welche zur Beschaffung der neuen Glocken und zum Glockenfest ihren Teil beigetragen hatten. Unter den zahlreichen Stiftern von großen und kleinen Gaben ist auch die Firma  Mez u. Vater hier zu nennen. Der Stadtrat und der Bürgerausschuss aber ermöglichten erst durch ihre Freigebigkeit die baldige Anschaffung der neuen Glocken und da gebührt dem Herrn Bürgermeister Müller für sein stets verständnisvolles Wohlwollen der ganz besondere Dank. Auch des Herrn Pfarrverwesers Risch sei dankbar gedacht, der sofort die Bestellung des neuen Geläutes energisch in die Hand nahm.

 Unter denen, die das Glockenfest so glanzvoll gestalten halfen, nannte Herr Stadtpfarrer mit Recht vor allem andern ehrend und dankbar den Herrn Domkapitular Dr. Weber, denn es ist eine seltene Ehre für eine Pfarrei, dass ein Herr der Kirchenbehörde selbst die Glockenweihe vornimmt. Das Lob und der Dank des Herrn Stadtpfarrers an den Kirchenchor und seinen allzeit opferwilligen Dirigenten Herrn Hauptlehrer Rombach war sicher wohlangebracht. Dem launigen Dank an die erschienen Herrn Geistlichen der Nachbarschaft schloss sich die Versammlung gerne an.

 Herr Stadtpfarrer feierte nun die drei großen Unternehmungen der Stadt in letzter Zeit: das große Werk der Erweiterung des elektrischen Werkes,[i] den Umbau der Orgel [ii] und die Beschaffung der Glocken und sieht darin einen erfreulichen idealen Zug. Manche herzliche Mahnung knüpfte er sinnig und tief an das heutige Fest und schließt mit dem Hinweis auf die Harmonie der Glocken und die Harmonie in der Gemeinde.

 Herr Hauptlehrer Maier hatte mit einigen Kindern Partien aus Schillers Lied von der Glocke eingeübt. Beherzt und mit tadelloser Betonung tief empfunden und wahr trugen die Kinder die klassisch schönen Stellen vom Glockenguss, vom Feueralarm und vom Totengeläute vor.

 Die Festrede beim Bankett hielt Herr Dekan Schatz aus Hüfingen. Mit reichen historischen Erinnerungen führte er uns in die schöne Geschichte der Pfarrei Bräunlingen ein und zeichnete die Glockenweihe im Jahre 1425 in der Remigiuskirche, die vom Jahr 1694 in der alten Marienkirche unter dem päpstlichen Protonotar Stadtpfarrer J. B. Frank, die vom Jahre 1877 in der neuen Marienstadtpfarrkirche unter Dekan Stadtpfarrer C. A. Metz. Für das jetzige Glockenfest ergaben sich von selbst Anknüpfungspunkte genug. Mit einem hoffnungsvollen Ausblick auf die Zukunft der Pfarrei und dem Glückwunsch auf Friede, Eintracht, Religion und Bürgertugend schloss die freudig aufgenommene Rede.

 Herr Domkapitular Dr. Weber feierte noch die schöne Pfarrkirche Bräunlingens und freut sich, dass ihm der langehegte Wunsch, in der Kirche mal eine Funktion vornehmen zu können, erfüllt wurde. Er wies darauf hin, dass nur das Christentum die herrliche Sprache der Glocken kenne und besitze, und entnimmt den Glocken und dem Glockenturm die inhaltsreiche Mahnung: „Aufwärts!“ und „aufrecht“. Mit der Gründlichkeit und Feinsinnigkeit des gelehrten Universitätsprofessors führte er diese beiden Wörtchen prächtig aus.

 Alles in allem, es war das ein Fest, auf das unser Städtchen stolz sein darf und das allen in angenehmster Erinnerung bleiben wird.“

Die Kosten für die Feier im Gasthaus zum Reichsadler betrugen 890 Mark, die Stadtkapelle erhielt 50 Liter Bier von der Brauerei Graf für 130 Mark, beides von der Stadt Bräunlingen bezahlt.

Die Glocken selbst wurden im Laufe der Woche in den Turm aufgezogen. Am Sonntag nach Pfingsten, Trinitate, erklang dann das volle Geläut zu ersten Mal.

 Auch sonst war noch vieles über die Feiertage „los“. Die Theatergesellschaft des Turnverein (D.T.) zeigte am Pfingstsonntagabend im Saal der Brauerei Graf ein dramatisches Theaterstück, umrahmt von der Vereinskapelle unter Hans Mendelsohns. Am Pfingstmontag wurde die Aufführung in Döggingen wiederholt. Der Turnerbund selbst veranstaltete auf dem Turnplatz beim Schulhaus ein Schauturnen, das von der Stadtkapelle musikalisch umrahmt wurde. Letztendlich fand im Gasthaus Reichsadler am Pfingstmontagabend ein gut besuchter Tanzabend statt.

Anzumerken ist noch, dass das Wetter über die Pfingsttage zum guten Gelingen aller Veranstaltungen beitrug.

 

Im April 2021

Joachim Schweitzer

 

[i] Gemeint ist der Talsperren- und Kraftwerksbau zur Erzeugung elektrischer Energie durch Wasserkraft, Baubeginn im Jahr 1921

[ii] Die Orgel wurde 1920/21 mit einen Kostenaufwand von rd. 25.000 Mark wieder erneuert und gleichzeitig elektrifiziert. Es wurde eine Gebläseanlage in Betrieb genommen, das Treten des Blasebalgs ist dadurch hinfällig geworden. Die Kosten von rd. 7.500 Mark trug die Stadt Bräunlingen.

Artikel wurde am 25. Mai 2021 veröffentlicht.