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Es muss nicht immer Corona sein (2)

Die zweite Geschichte mit Bezug auf Bräunlingen ist wiederum der Anekdotensammlung aus der Zimmerischen Chronik entnommen, die Johannes Bühler unter dem Titel „Wappen, Becher, Liebesspiel“ 1940 veröffentlichte.

Auch der nachfolgende Auszug aus der berühmten Chronik der Familie der Herren bzw. Grafen von Zimmern eignet sich auf ein Ausstellungsobjekt im Kelnhof-Museum hinzuweisen.

Graf Froben Christoph von Zimmer schreibt unter der Rubrik:

Neubauten in Meßkirch

„Zwei Jahre nach Graf Johann Werners Tod, Anno 1550, fing Graf Froben Christoph mit Gunst und Erlaubnis Graf Gottfried Werners die Vorstadt vor dem Angertor zur Meßkirch zu bauen an. Damals waren dort Gärten, die teils dem Kapitel, teils den Pfründnern oder der Bürgerschaft gehörten; sie wurden alle aufgekauft oder eingetauscht, damit sich niemand mit Fug und Recht über das Bauen beschweren konnte. Obwohl dieses Bauen der Herrschaft ebenso wie der Stadt Meßkirch von großen Nutzen war, ganz davon zu schweigen, dass sich viele arme Bürger und Herrschaftsleute dadurch ernährt und erhalten haben, hat das Unternehmen damals doch nur wenigen Bürgern gefallen, und einige haben es, soviel ihnen möglich verhindert. Graf Froben fing bald hernach das neue Spital an der Rohrdorfer Straße zu bauen an. Die Vorstadt ist schließlich viel glücklicher gediehen als die zu Bräunlingen im Schwarzwald. Wie man erzählt, haben die Bürger dort vor Jahren eine Vorstadt bauen wollen, aber es fehlt der Stadt an Geld. Da brachen sie dennoch ein Loch in die Stadtmauer und bauten einen Backofen auf Streben und Stützen (in den Graben) vor die Stadt, damit sie in Wahrheit sich rühmen konnten, dass ihr Brot in der Vorstadt gebacken würde. Vielleicht haben die Mäuse damals den Bräunlingern ihren Schatz angefressen, der in einer Saublase aufbewahrt wurde. Diese Spöttelei setzte Samson Weiß, Prokurator am Hofgericht zu Rottweil einmal in die Welt; darum durfte er sich in Bräunlingen auch nicht sehen lassen. Graf Karl von Zollern hat sich etliche Male unterstanden, die Vorstadt von Meßkirch zu bedrängen und die hohe Gerichtsbarkeit bis auf die Brücke am Angertor beansprucht. Aber der Graf ließ sich nicht beirren, sondern fuhr mit dem Bauen fort.“

Bezüglich der Gestaltung der Bräunlingen Vorstadt irrte der Schreiber der Zimmerischen Chronik. Die später entstandenen „Vorstädte“ in Bräunlingen, nämlich die Dögginger Vorstadt (Döggingerstraße bis Einmündung Galgenbergstraße), die Hüfinger Vorstadt (Hüfingerstraße bis zur Stadtmühle: heute Firma Straub), die Waldvorstadt (Spitalplatz, Gumpp-, Obere und Untere Waldstraße) sowie die Mösenvorstadt (Brändbachbrücke bis Friedhof) dürfen durchweg zu ihrer Zeit auch als gelungene städtebauliche Weiterentwicklung angesehen werden.

Der Schatz in der Saublase (Suubloddere), die Originalschreibweise in der Zimmerischen Chronik ist „Sawblater“, war zumindest Dr. Eugen Balzer in dem 1903 erschienen Buch „Überblick über die Geschichte der Stadt Bräunlingen“ (Seite 49) eine Erwähnung wert, während Dr. phil. Johannes B. Hornung in der 1964 erschienenen „Geschichte der Stadt Bräunlingen“ nicht darauf einging. Vermutlich betrachtete er die Geschichte als nicht wahr und deshalb nicht erwähnenswert.

Dr. Balzer schreibt: „Die Stadt als solche litt freilich noch lange unter den Schulden, die durch die Pfandlösung entstanden waren, die Zimmerische Chronik behauptet aus jener Zeit, der Bräunlingen „Gemeindeschatz“ sei damals in einer Schweinsblase verwahrt gewesen.“ Bei den Schulden durch die Pfandlösung handelte es sich um die letzte Verpfändung der Stadt durch die Habsburger. Inhaber des Pfandrechtes war durch Abtretung das Haus Fürstenberg in Donaueschingen. Auf die „untertänigste Bitte“, sich von der fürstenbergischen Pfandschaft loszukaufen und wieder ins Vorderösterreichische zurückzukehren, gestattete Maximilian I. von Österreich 1492 die Ablösung der Pfandschaft durch die Bürger der Stadt.

Für die Ablösung mussten jedoch Schulden gemacht werden, an denen die Stadt noch lange zu tilgen hatte. Der Zustimmung von Kaiser Maximilian vorausgegangen ist eine Situation, die in der deutschen Geschichte als einmalig bezeichnet werden darf. Aus Verbitterung über das Verhalten des fürstenbergischen Pfandherrn zogen Schultheiß und Rat mit dem größten Teil der Bürgerschaft mit Siegel und Stadtfahnen, mit Vieh und Pferden in die Stadt Villingen, mit der seit 1437 ein gegenseitiges Bürgerrecht vereinbart war, und wo sie etwa 8 Monate blieben bzw. aufgenommen wurden, nach heutigem Sprachgebrauch Asyl bekamen.

Frauen und Kinder blieben überwiegend zurück und schauten nach dem Rechten in Haus und Hof. Während des Asyls besetzten Soldaten im Auftrag von Graf Heinrich VI. von Fürstenberg die Stadt und bemächtigten sich „aller ihrer Hab und Gut, Rosse, Rinder, Ochsen, Korn, Früchte“. Die Soldaten blieben einige Monate und haben das Städtchen leer gegessen. Über die Zeit der Bräunlinger in Villingen schrieb Hermann Sernatinger, Pfarrer in Hausen vor Wald, ein Festspiel, welches 1905 mit einem Vorwort von Dr. Balzer in Buchform erschien.

 

 

 

Anno 1489 – Ein Festspiel aus Bräunlingens Vergangenheit“ –  Umschlag- und Titelbild eines fastnachtlichen Schauspiels von Hermann Sernatinger, welches die Verschuldung der Stadt durch die Auslösung der Pfandschaft zum Thema hatte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch in der Zeit des Bauernkrieges (1524-1525) konnten Stadt und Bürger nicht mit viel Geldvermögen ausgestattet gewesen sein. Durch die Teilnahme am Bauernaufstand mit der Beteiligung an der Zerstörung der schellenbergischen Burg Neuenburg, der Plünderung des Villinger Dependenzortes Grüningen wurden die Bräunlinger nach dem erfolglosen Ausgang der Rebellion hart bestraft. In Villingen mussten sie ihre Waffen unbrauchbar machen, dem Landesherrn neu huldigen, jeder musste 6 Gulden Strafe zahlen und alles Geraubte war zu ersetzen. Für die zerstörte Neuenburg waren Baumstämme und Ziegel zu liefern. Der Pfarrer hatte mit den Aufständischen mitgemacht und wurde mit zwei Monaten Haft bestraft.

Es ist also anzunehmen, dass Bräunlingen zur Zeit des Grafen Froben von Zimmern, als dieser die Geschichte mit der Schweinsblase schrieb (1564-1566), keinen Gemeindeschatz hatte.

Damit der Gemeindeschatz, sofern einer vorhanden war, aber hauptsächlich wichtige Urkunden wie Freiheitsbriefe, Besitzurkunden u. ä., auch in Notzeiten geschützt werden konnten, hat die Stadt eine eisenbeschlagene Holztruhe, vermutlich im 17. Jhd., angeschafft, die im Kelnhof-Museum ausgestellt ist.

 

 

 

 

In der eisenbeschlagenen Holztruhe wurden das Barvermögen der Stadt Bräunlingen sowie die wichtigsten Urkunden verwahrt.

 

Bei Belagerung oder bei Einquartierungen durchziehender Truppen oder sonstiger Gefahr konnte die „Schatztruhe“ vergraben und dadurch vor Plünderung geschützt werden. Vielfach ist bei solchen Truhen auf den Innenboden ein Hund aufgemalt, sinnbildlich als Beschützer des Inhalts. War die Truhe leer, war man „auf den Hund gekommen“. Auf alle Fälle waren in dem besonderen Safe die wichtigen Urkunden vor Mäusefraß geschützt. Heute bringt die Stadt ihren Geldschatz, falls sie einen hat, zur Sparkasse und Volksbank, in der Gewissheit, dass er bei den Geldinstituten vor Mäusefraß und Plünderung sicher ist.

Übrigens: Meßkirch ist – wenn Corona auch einmal Geschichte ist – einen Tagesausflug wert. Das ehemalige Schloss der Grafen von Zimmern mit dem sehenswerten Renaissancesaal mit originaler Kassettendecke ist heute ein Kultur- und Museumszentrum. Die Kreisgalerie des Landkreises Sigmaringen, das Martin-Heidegger-Museum und ein Oldtimermuseum sind dort untergebracht. Die Stadtpfarrkirche St. Martin, eine Spätrokokokirche, der Hofgarten mit seinen imposanten Lindenbäumen, die Fachwerkarchitektur in der Altstadt und eine einzigartige Zeitreise in das Mittelalter zum Campus Galli, wo ein Kloster nach dem Klosterplan von St. Gallen mit den technischen Möglichkeiten des Mittelalters entsteht, sind ebenfalls einen Besuch wert.

Die Stadt trägt auch das Prädikat „Badischer Geniewinkel“. Dies verdankt sie bedeutenden Persönlichkeiten, die sie hervorgebracht hat, u.a. dem Philosophen Martin Heidegger, dem Musiker Conradin Kreutzer, dem Maler Johann Baptist Seele, dem Freiburger Erzbischof Conrad Gröber, dem bekannten Prediger Abraham a Sante Clara und dem unbekannten Maler, der als Meister von Meßkirch Berühmtheit erlangte.

Näheres unter: www.messkirch.de

 

April 2020
Joachim Schweitzer

Artikel wurde am 7. April 2020 veröffentlicht.