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Lützelberg – Kirchleberg – Ottilienberg, Teil 1

Im Kelnhof-Museum hängt, man übersieht es leicht, eine oval gerahmte fotografische Aufnahme des Ottilienberges. Die Fotografie, die auch im Band 7 der Schriftenreihe der Stadt Bräunlingen Aufnahme gefunden hat (Seite 64), ist vermutlich um 1880 gemacht worden. Der Ottilienberg, eine Fortsetzung des Triberges, der mit dem Buckabhang am Nikolausbrunnen endet, ist bis auf die Linde bei der der Hl. Ottilia geweihten Kapelle noch völlig frei von Wald. Am West- und Südabhang sieht man deutlich die Einteilung der Feldbewirtschaftung.

Unterhalb der Waldstraße, heute Gumppstraße, stehen vier Gebäude, rechts mit dem markanten Fachwerkgiebel das Haus Obergfell, die frühere Färbe, dahinter das zwischenzeitlich abgebrochene, zu jener Zeit städtisches Spital genannte Krankenhaus sowie das giebelseitig stehende Haus der Familie Beha-Kleiser-Baumeister und am Färbergässle der holzschopfartige Bau des zum Spital gehörigen Schweine- und Hühnerstalls. Ganz links in der Wiese, Gewann Marquardswiesen, ist das gedrungene Satteldach der Brunnenstube zu sehen, von wo die laufenden Brunnen in der Zähringerstraße, Blaumeerstraße und der Marienbrunnen in der Blaumeerstraße gespeist wurden.

Anschließend an das Spitalgebäude der Krankenhausgarten und  der Viehmarktplatz. Zur Zeit der Fotoaufnahme war der Spitalbetrieb fast autark. Es wurden eigene Felder mit Kartoffeln und Getreide für die Verpflegung der Patienten, Pfründner und des Personals angepflanzt. Mit den Speiseresten wurden wiederum Schweine zur Schlachtung gemästet. Die Schweinemast, es konnten zuletzt jährlich vier Schweine geschlachtet bzw. zur Schlachtung verkauft werden, wurde erst anfangs der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts aufgrund von lebensmittelrechtlichen Vorschriften eingestellt. Im Viehmarktplatz fanden früher die Rindviehmärkte statt, während der Schweinemarkt auf dem Spitalplatz abgehalten wurde.

Die heutige Färbergasse und die Galgenbergstraße sind noch als Feldweg zu sehen. Oberhalb der Gumppstraße, rechts neben dem markanten Gebäude der Brauerei Graf, das Gasthaus Rebstock.

Weithin sichtbar war, vor der Bewaldung des Bergrückens bis zur Fällung vor der Außenrenovierung der Ottilienkapelle 2001, der Lindenbaum, der höchstwahrscheinlich beim Bau der Kapelle gepflanzt wurde, also ein stolzes Alter von ca. 270 Jahren hatte. Zur Erinnerung an die Hl. Odilia, die bei der Gründung des Klosters Hohenburg im Elsass, heute Odilienberg, drei Lindenbäume als Symbol für die Heilige Dreifaltigkeit gepflanzt hatte, stehen bei vielen der ihr geweihten Kapellen Lindenbäume. Er wäre wünschenswert wenn auf dem Vorplatz der Kapelle wieder ein Lindenbaum gepflanzt würde. Dieser hätte wieder mindestens 200 Jahre Zeit, bis er aufgrund seines Alters gefällt werden müsste.

Beim Viehmarktplatz sehen wir die Reihe der Stangen zum Anbinden des Großviehs.

Im Donaueschinger Wochenblatt lesen wir, dass der am 12. Juni 1871 abgehaltene Monats-Viehmarkt mit ca. 250 Stück Vieh beschickt war und namentlich von Schweizer Händlern nicht unbedeutende Ankäufe gemacht wurden, ein Beweis für eine zunehmende Frequenz des Viehmarktes in Bräunlingen.

 

Lützelberg – Kirchleberg – Ottilienberg

Der Ottilienberg, so sein heutiger Name, hat jedoch nicht seit altersher diese Bezeichnung. Die Kapelle wurde erst 1723 – 1725 erbaut. Also muss der kleine Berg vorher schon einen Namen gehabt haben. Dies war auch der Fall, sein Name war Lützelberg. Das Wort „lützel, lüzzel, lützelig“ stammt aus dem Mittelhochdeutschen und ist aus dem althochdeutschen „luzil, luzzil,“ entstanden, wobei es auch andere gleichlautende Schreibweisen gab. Es bedeutete „klein, wenig“, also der kleine Berg, der vor dem größeren Triberg, frühere Schreibweise „Tryberg“, vorgeschoben ist. Als Ortsnamen und Namen für kleine Flüsse oder Bäche finden wir „Lützel“ oder „Litzel“ des öfteren, in Frankreich als Lucelle. Im Straßennamen „Lützelbergstraße“ ist der frühere Gewannname noch heute erhalten.

Sicherlich ist nicht abrupt aus dem Lützelberg der Ottilienberg geworden. Es dürfte vielmehr eine schleichende Umbenennung, sowohl im Sprach- als auch im Amtsgebrauch, erfolgt sein. Ein dritter Name, der in Bräunlingen gängig ist „Kirchleberg“ oder im Dialekt „Kerchleberg“, als Hinweis auf das kleine Kirchle auf dem Berg.

So lang uff iserm Kerchleberg e Fohrewäldli stoht

..  lautet eine Verszeile im Stimmungslied „Solang s’Brülinger Städtle“. Den Text verfasste Malermeister Johann Koch (1888-1966) im Jahr 1933 zur Melodie „Der alte Peter“. Das Lied wird bei freudigen und gemütlichen Anlässen und besonders gern in der Fastnachtszeit gesungen, wobei jede Strophe mit dem Refrain endet „solang herrscht die Gemütlichkeit bei is z’Brülinge hier“. Die 2. Strophe lautet im Ganzen:

„Solang die alte Grabe-Stroß um iser Städtliegoht,

solang uff iser’m Kerchleberg ä Fohrewäldli stoht,

solang über isern gröschte Fluss en Holzsteg überführt,

solang herrscht die Gemütlichkeit bei is z’Brülinge hier“.

Bürgermeister, Gemeinderat und der jeweils zuständige Revierleiter des Walddistriktes „Triberg“, zu dem der Ottilienberg gehört, sind für eine dauerhafte Gemütlichkeit und damit auch für Frohsinn in Bräunlingen verantwortlich, denn sie müssen darauf achten, dass stets ein kleiner Forlenbestand (auch Kiefer, Föhren genannt) auf der Bergkuppe steht. Der heutige Baumbestand ist zum Teil über 100 Jahre alt und stammt noch von der Erstbepflanzung.  Im Zuständigkeitsbereich des städt. Försters steht allerdings lediglich die Waldfläche südlich des Hauptweges während der nördlich und östlich davon stehende parkähnliche Baumbestand sich außerhalb der Waldbewirtschaftung befindet.

Rechts der alte Lindenbaum

Fortsetzung folgt.

Übrigens:

Der Band 7 der Schriftenreihe der Stadt Bräunlingen „Bräunlingen zwischen 1880 und 1970 – Postkarten und Fotografien einer Stadt mit Geschichte“ ist beim Amt für Tourismus und während den Öffnungszeiten des Kelnhof-Museums zum Preis von 20 € erhältlich.

April 2020

Joachim Schweitzer

Artikel wurde am 22. April 2020 veröffentlicht.